Tad Williams im Interview über „Der letzte König von Osten Ard“

Tad Williams im Interview über "Der letzte König von Osten Ard", Verfilmungen und Geschichten erzählen. Foto: Jörn Käsebier

Tad Williams im Interview über „Der letzte König von Osten Ard“, Verfilmungen und Geschichten erzählen.        Foto: Jörn Käsebier

Am Morgen nach seiner Lesung in Berlin steht Tad Williams gleich nach dem Frühstück schon wieder für Interviews bereit. Dabei soll es am selben Tag noch nach München gehen. „Ich spreche so wie ich schreibe, ich hole weit aus und erkläre viel“, sagt der amerikanische Fantasy-Autor. Und tatsächlich ließen sich aus seinen Antworten zwei Interviews machen, gerade so wie mit seinen Büchern in der Übersetzung, zuletzt bei „Die Hexenholzkrone“, um die es vor allem geht.

Herr Williams, was hat Sie nach 30 Jahren zurück nach Osten Ard geführt?

Tad Williams: Ich hatte nie ausgeschlossen, dass ich eine Fortsetzung schreiben würde. Ich wollte es jedoch nicht um dieser Fortsetzung willen machen. Das wäre mir wie eine Art Franchise vorgekommen. Zuerst wollte ich eine passende Idee haben. Als ich meiner Frau Deborah, selbst Autorin, Verlegerin und Geschäftsfrau, begründete, warum alle Vorschläge für Osten Ard für eine Fortsetzung nicht ausreichten, merkte ich, wie sehr ich mich in den Jahrzehnten seit „Das Geheimnis der großen Schwerter“ verändert hatte. Und ich begann darüber nachzudenken, wie sich die Figuren in dieser Zeitspanne wohl verändert hätten. Wir würde es Teenagern ergehen, die schlimme Ereignisse überstanden hatten und glücklich bis an ihr Lebensende leben sollten. Würden sie Kinder und Enkel bekommen, wie würden sie altern? Mit diesen Fragen ging ich zu Bett und begann, über die Antworten nachzudenken. Am nächsten Morgen sagte ich etwas brummig zu meiner Frau, sie habe mich dazu gebracht, ein neues Osten-Ard-Buch zu schreiben. Es dauerte aber noch einige Zeit, bis ich tatsächlich mit dem Schreiben anfangen konnte.

Szenen einer Ehe

Wie lief der Alterungsprozess bei Simon und Miriamel ab, haben Sie sich von eigenen Erfahrungen leiten lassen?

Ich denke, jeder, der in einer langen Beziehung steht, weiß, dass man sich anfangs gar nicht vorstellen kann, wie das tägliche Leben aussehen wird. Man ist in einer Beziehung gezwungen mit den Umständen zu wachsen. Bei zwei Menschen kann niemand den anderen überstimmen. Man lernt Kompromisse einzugehen und welche Konflikte es wert sind, sie auszutragen. Ich lebe in zweiter Ehe und bin mittlerweile länger verheiratet als ich unverheiratet gelebt habe. Diese Erfahrungen sind in das Buch eingeflossen – die Ehe von Simon und Miriamel spiegelt aber nicht einfach die von Deborah und mir wider.

Große Teile von „Die Hexenholzkrone“ werden aus der Sicht von Nornen geschildert, warum?

"Die Hexenholzkrone" ist der erste von drei Bänden. Foto: Jörn Käsebier

„Die Hexenholzkrone“ ist der erste von drei Bänden. Foto: Jörn Käsebier

In „Das Geheimnis der großen Schwerter“ war es bei den Nornen so, dass ich auf Distanz blieb, da sie das symbolisieren sollten, wovor die Menschen Angst haben. Doch auch damals schon zeigte ich, dass sie selbst sich im Recht sahen. Sie waren nicht böse, um des Bösen willen, sondern dachten, dass sie ihre Rasse retten würden. In „Der letzte König von Osten Ard“ wollte ich noch stärker in diese Richtung gehen. Es sollte noch deutlicher werden, um welche Entscheidungen es den Nornen geht und diese sollten nachvollziehbar sein. Ich wollte es den Lesern schwerer machen, die Feinde als böse abzustempeln. Zugleich greife ich damit aktuelle Themen auf wie den islamischen Terrorismus. 95 oder sogar 98 Prozent der Moslems sind Menschen wie Du und ich, die ihr Leben leben möchten und ihre Kinder groß ziehen. Wir richten unseren Fokus aber auf die kleine Minderheit und übertragen unsere Furcht und unseren Hass auf die gesamte Religion. Die Nornen in meiner Geschichte, das darf man nicht vergessen, hassen jedoch zum überwiegenden Teil die Menschen. Ich wollte es meinen Lesern aber nicht so leicht machen, sie auch zu hassen.

Sind in den kommenden Büchern noch weitere Erzählstimmen geplant?

Ich glaube, es handelt sich nur um eine neue Figur im zweiten Buch. Es wird aber neue Gewichtungen geben. Manche Figuren, die anfangs nur eine Nebenrolle spielen, rücken mehr in den Mittelpunkt. Und selbst bei der einen neuen Erzählstimme habe ich lange überlegt, ob ich sie wirklich brauche. Denn eigentlich hatte ich das Gefühl, genügend Figuren zur Verfügung zu haben. Wenn ein Autor jedes Mal eine neue Erzählstimme einführt, wenn er sich in eine Sackgasse manövriert hat, ist das meiner Meinung nach genauso schlimm wie der Kunstgriff, dass eine Figur plötzlich entdeckt, sie verfügt über magische Fähigkeiten und kann sie einsetzen, um sich und andere zu retten.

Der Leidensweg der Helden in Osten Ard

Wie gehen Sie also vor, entwickeln Sie erst die Geschichte und danach die Figuren?

Bis zu einem gewissen Grad, ja. Anfangs denke ich darüber nach, wo die wichtigen Ereignisse spielen werden. Dann überlege ich, ob ich Figuren vor Ort habe, da ich ja immer aus der Sicht einer Figur schreibe. Oder ob ich zumindest Figuren so an den Ort bringen kann, dass es für Leser nachvollziehbar ist, warum sie dort sind. Es ist immer eine Mischung aus den groben Linien der Handlung und den Figuren, mit der ich ein Buch schreibe.

Krieg und Fremdenhass gehören zu den überspannenden Themen von „Der letzte König von Osten Ard“. Welche werden es noch sein?

Das ist schwer zu sagen, ohne zu viel zu verraten. Doch wer mein Werk kennt, weiß, dass ich immer wieder zu bestimmten Elementen greife. Familie, als etwas, das jeden von uns prägt, ist so ein Thema. Außerdem spiegelt sich meine Faszination für alte Zivilisationen in eigentlich allen meinen Werken wider. In fast jeder Geschichte gibt es eine untergegangene Stadt. Auch habe ich eine Vorliebe für Orte im Untergrund. Es gehört zum Weg des Helden, dass er zuerst nach unten muss, ehe es aufwärts gehen kann.

Ja, immer, wenn man glaubt, dass es in Ihren Geschichten nicht schlimmer kommen kann, kommt es dennoch schlimmer …

Das stimmt. Ich bin Optimist, glaube aber nicht daran, dass alles gut wird, sondern, dass alles gut werden kann. Es liegt an uns selbst, die Lösung zu finden. Wir haben die Fähigkeit uns zu ändern. In George Martins „Das Lied von Eis und Feuer“ ist die Weltsicht viel zynischer und pessimistischer. Die Bücher vermitteln das Gefühl, „egal wer Du bist, Dir kann der Kopf abgeschlagen werden.“ Das ist völlig legitim. Doch bei mir soll es so sein, dass sich dank harter Arbeit, gegenseitigem Verständnis und anderen Dingen alles zum Besseren wenden kann – auch wenn es nicht perfekt wird.

Tad Williams als Geschichtenerzähler

TV-Serien dominieren derzeit die Unterhaltung. Das erwähnte „Game of Thrones“ ist ein Riesenerfolg, aber längst nicht die einzige Serie mit phantastischem Stoff. Ist dies aus Sicht von Autoren eine gute Entwicklung oder fürchten Sie, dass die Menschen immer weniger lesen werden?

Zunächst einmal müssen wir akzeptieren, dass es eine jüngere Generation gibt, die ihre Informationen und ihre Unterhaltung in erster Linie aus visuellen Quellen bezieht. Viele von ihnen, auch meine Kinder, sind intelligent und lesen durchaus noch, ziehen aber streamen vor und schauen eine Serie so wie ich früher gelesen habe, dank Binge-watching sind sie mit einer Staffel so schnell durch wie ich früher mit einem Buch. Ich meine, dieser Trend ist weder gut noch schlecht. Dies gesagt würde ich gern die Adaption eines meiner Werke verfilmt sehen. Da meine Bücher so lang sind, wäre eine Serienfassung besser, sei es von „Otherland“ oder „Das Geheimnis der großen Schwerter“. Ich selbst sehe mich als Geschichtenerzähler. Ich hätte auch Drehbuchautor oder Autor von Spielen werden können, denn auch wenn mir Bücher viel bedeuten, sind sie nicht die einzige Form Geschichten zu erzählen.

Gibt es denn konkrete Pläne für eine Verfilmung?

Ein wenig bewegt sich. Es wird ziemlich sicher eine animierte Verfilmung von „Traumjäger und Goldpfote“ geben. Darüber hinaus gibt es Gespräche zu anderen Projekten. Meist wird aber nichts aus diesen Verhandlungen. Über die Jahre habe ich gelernt, mich davon zu lösen. Dafür gibt es Agenten und Verleger. Sie sollen mich einbeziehen, wenn es gut aussieht und meine Hilfe benötigt wird. Doch mit dem Tagesgeschäft sollte ich nichts zu tun haben.

Nach „Die Hexenholzkrone“ werden Sie nicht mehr gefragt, ob es mehr Geschichten aus Osten Ard geben wird, sondern wann der nächste Band erscheinen wird. Wie ist der Zeitplan?

Ich habe den zweiten Band, „Empire of Grass“, gerade abgeschlossen. In den kommenden Monaten werde ich das Buch überarbeiten. Ein Datum für die Veröffentlichung in den USA gibt es noch nicht. Es wird wohl noch rund ein Jahr dauern, bis Band 2 veröffentlicht wird, in Deutsch eher noch länger. Ich weiß nicht, ab wann die Übersetzung beginnen darf. Band 2 ist dazu länger als Band 1 geraten, was bei mir eher ungewöhnlich ist, doch könnte ich dadurch dieses Mal mit drei Büchern auskommen.

Also sechs in der Übersetzung?

Das kann gut sein.