Naris – Die Legenden von Mond und Sonne 1 von Lucy Hounsom

Lucy Hounsom: Naris - Die Legenden von Mond und Sonne 1

Lucy Hounsom: Naris – Die Legenden von Mond und Sonne 1

Mit „Naris“ (Originaltitel: Starborn) beginnt Lucy Hounsom „Die Legenden von Mond und Sonne“. Der Fantasy-Roman der hauptberuflichen Buchhändlerin richtet sich mit seiner jugendlichen Heldin eher an jüngere Leser, dürfte aber auch manche ältere High-Fantasy-Fans ansprechen.

Naris – Die Legenden von Mond und Sonne 1

Für die meisten Bewohner des Kontinents Mariar ist die Stadt Naris nur eine Legende. So auch für Kyndra Vale, die in einem kleinen Dorf im Osten aufwächst. Sie steht kurz vor einem Initiationsritus, mit dem sie zum mündigen Mitglied der Gemeinschaft werden soll. Mithilfe eines magischen Artefakts soll die junge Frau ihren wahren Namen erfragen sowie einen Ausblick auf ihr künftiges Schicksal bekommen. Doch die Zeremonie geht schief, und Kyndra muss aus ihrem Heimatort flüchten, begleitet von zwei Fremden, die mehr über Naris und die Legenden von Mond und Sonne wissen.

Der erste Teil der Handlung von „Naris“ wird ausschließlich aus der Perspektive von Kyndra erzählt, später kommen für kurze Passagen noch weitere Erzählperspektiven hinzu. Diese geben zwar den Lesern einen Einblick ins Innenleben anderer Figuren und ermöglichen einen Informationsvorsprung gegenüber Kyndra, doch nehmen sie auch einiges von der Spannung. Während etwa Brégenne zu Beginn noch geheimnisvoll und schwer zu durchschauen ist, wird sie plötzlich zu einer Figur mit vielen menschlichen Schwächen. Das gibt ihr zwar mehr Tiefe, doch wird ihr Handeln gegenüber Kyndra deutlich leichter vorhersehbar.

Die Protagonistin ist eine jugendliche Heldin, die typische Eigenschaften der Heldin eines Jugendbuches mitbringt: etwas naiv, dickköpfig, impulsiv und vor allem emotional. Soweit, so gelungen. Doch leider macht Kyndra zwar Einiges durch, entwickelt sich aber kaum weiter. Ein Reifeprozess, wie er zu einem Entwicklungsroman gehört, ist bei ihr allenfalls in Ansätzen erkennbar. Und so leidet man irgendwann nicht mehr mit Kyndra mit, sondern wundert sich nur noch, wie leicht sie sich manipulieren lässt.

Das Debüt von Lucy Hounsom

Da die Handlung von „Die Legenden von Mond und Sonne 1“ überwiegend in Naris spielt, konzentriert sich Lucy Hounsom bei der Beschreibung der Fantasy-Welt um den Kontinent Mariar auf die Geschichte und die legendäre Stadt. Andere Orte, die Kyndra und ihre Begleiter auf dem Weg besuchen – darunter immerhin die Hauptstadt –, werden nur gestreift. Auch geht die englsiche Autorin wenig auf das politische System ein, was schade ist, da doch in der Vergangenheit die Bedrohnung durch ein Imperium eine so wichtige Rolle gespielt hat und man daher mehr über die herrschenden Verhältnisse wissen möchte.

„Naris“ ist der Auftakt zur Trilogie „Die Legenden von Mond und Sonne“ (The Worldmaker Trilogy) und der Debüt-Roman von Lucy Hounsom. Es wirkt ein wenig so, als habe sie das Buch zunächst als Einzelband angelegt, da es ein klares Ende der Geschichte gibt, und es erst wenige Seiten vor dem Schluss plötzlich eine Wendung gibt, die das Tor zu einer Fortsetzung weit aufstößt. Es bleibt zu hoffen, dass Band 2 sowohl in der Figurenentwicklung als auch beim Spannungsbogen mehr überzeugt als das durchwachsene Debüt.

„Naris – Die Legenden von Mond und Sonne 1“ von Lucy Hounsom ist bei Piper erschienen. Die Klappenbroschur-Ausgabe geht über 528 Seiten und kostet 16,99 Euro. Die Übersetzung stammt von Barbara Röhl.

Zeit des Sturms von Andrzej Sapkowski – eine Rezension

Andrzej Sapkowski: Zeit des Sturms

Andrzej Sapkowski: Zeit des Sturms

Todgesagte leben länger: Nachdem Andrzej Sapkowski seinen Zyklus um den Hexer Geralt von Riva abgeschlossen hatte, wollte sich der polnische Autor neuen Geschichten zuwenden. Mit „Zeit des Sturms“ kommt der Hexer nicht zum ersten Mal wieder zurück, aber doch das erste Mal in Langform. Der Fantasy-Roman spielt zeitlich vor dem Hexer-Zyklus, den man nicht gelesen haben muss, um der Handlung zu folgen. Dennoch ist das Vergnügen mit Vorkenntnissen größer, gerade bei den Figuren, die in der Reihe und in „Zeit des Sturms“ eine Rolle spielen.

Zeit des Sturms in Kerack

Die Handlung spielt dieses Mal überwiegend im Königreich Kerack, einem kleinen Reich, in dem sich ehemalige Piraten zu Herrschern aufgeschwungen haben. Geralt fällt dort einer Intrige zum Opfer, die ihn seine kostbaren Schwerter kostet. Dass mit der Koralle eine hübsche Zauberin ihre Hände dabei im Spiel hat, versteht sich fast von selbst, ebenso, dass der Hexer sich trotz einer Liaison nicht von ihr kontrollieren lässt. Seinen Zorn bekommen weniger die Ungeheuer zu spüren, für deren Tötung Hexer gewöhnlich angeheuert werden, als die Mächtigen, die die Schwachen ausnutzen und töten. Unterstützung erhält Geralt wie üblich von seinem engen Freund, dem Dichter Rittersporn, aber zuweilen auch von unerwarteter Seite.

Sapkowski gelingt es erneut, die einzigartige Mischung hinzubekommen, die den Hexer-Zyklus so herausragend macht: Spannung und Kämpfe wechseln sich ab mit Wortgefechten und komischen Passagen. Hinzu kommen Anspielungen auf die moderne Welt, Zitate aus bekannten Werken und saftige Gesellschaftskritik. Natürlich kann ein Einzelband nicht die Tiefe eines fünfbändigen Zyklus erreichen. „Zeit des Sturms“ hält jedoch die von den Vorgängern gesetzten Qualitätsstandards hoch und fällt im Vergleich zum Zyklus nicht ab.

Sapkowski und sein Hexer Geralt

Ob der Hexer nach diesem in sich abgeschlossenen Fantasy-Roman noch einmal Auferstehung feiern wird? Wohl nur, wenn Andrzej Sapkowski Zeit, Lust und Ideen hat. Wer selbst in die Rolle des Hexers Geralt von Riva schlüpfen möchte, hat dazu in der polnischen Videospielserie die Gelegenheit. Der dritte Teil – „The Witcher: Wild Hunt“ – ist gerade für PC und Konsolen erschienen. Und es geht nicht nur um Sex auf dem Rücken eines Einhorns, auch wenn einige Besprechungen im Netz diesen Aspekt besonders hervorheben.

„Zeit des Sturms“ von Andrzej Sapkowski ist bei dtv erschienen. Die Klappenbroschur-Ausgabe des Fantasy-Romans hat 448 Seiten und kostet 15,90 Euro, das E-Book 12,99 Euro. Die Übersetzung stammt von Erik Simon.

Der verlorene Thron von Brian Staveley – eine Rezension

Brian Staveley: Der verlorene Thron

Brian Staveley: Der verlorene Thron

„Der verlorene Thron“ von Brian Staveley handelt von drei Geschwistern, die sich nicht nur einer Intrige gegenübersehen, die ihr Leben bedroht, sondern der gesamten Menschheit zum Verhängnis werden könnte. Eine Rezension des Debüt-Romans von Brian Staveley.

Die Erbfolge in Annur ist klar geregelt: Der Kaiser hat seinen Sohn Kaden als Nachfolger aufgebaut, seine Tochter Adare zur Verwalterin ausbilden lassen und seinen zweiten Sohn Valyn als Kadett zu den Elitekämpfern geschickt. Doch noch ehe die drei ihre Ausbildung abschließen können, wird der Kaiser ermordet – und die Thronfolge zu sichern, erweist sich als schwieriger als erwartet.

Drei Geschwister und ein verlorener Thron

Die Handlung von „Der verlorene Thron“ wird aus Sicht der drei Geschwister geschildert. Dabei werden die drei sehr unterschiedlich behandelt. Adare bekommt von Brian Staveley am wenigsten Raum eingeräumt. Da sie in der Hauptstadt lebt, könnte sie am ehesten die Verschwörung aufdecken, verfügt jedoch seltsamerweise nicht über Verbündete im Machtapparat ihres Vaters und soll den Lesern wohl nur wenig offenbaren, um die Spannung in den anderen Handlungssträngen höher zu halten. In Kadens Kapiteln brodelt es meist unter der Oberfläche, ist er doch in einem Bergkloster und lernt von den Mönchen, wie er seine Gefühle ausblenden kann. Hier dienten wohl fernöstliche Religionen als Vorbild.

Für die meiste Action ist Valyn verantwortlich. Das liegt an seiner militärischen Ausbildung bei den Kettral, für die sich Staveley unter anderem die Hell Week der Marines und Navy Seals zum Vorbild genommen hat. Durch Valyn erfahren die Leser außerdem mehr über Magie, die Ethnien im Reich und die militärische Lage. Brian Staveley stellt die Fantasy-Welt, in der seine Geschichte spielt, eher beiläufig vor und verliert sich nicht in Details zu Sprache, Religion und Währung, was dem Lesefluss zugute kommt. Dennoch erfährt man Wichtiges, etwa, dass es sich nicht um eine rein mittelalterliche Welt handelt, denn die Kettral benutzen bereits Sprengsätze. In diesem Punkt folgt Brian Staveley der Schule von Steven Erikson.

Das Debüt von Brian Staveley

Vieles an der Handlung, den Figuren und der Fantasy-Welt wirkt durchdacht, ohne zu konstruiert zu sein. Brian Staveley hat sich mit Religion und Philosophie, aber auch mit Geschichte auseinandergesetzt, und sein Wissen spiegelt sich im Werk wider. Doch die Intrige ist zum Beispiel weniger gelungen. Sie ist nicht so kunstvoll gesponnen, wie etwa in den Psalms of Isaak, weshalb auch nur wenige Wendungen wirklich überraschen. Vor allem aber gehen die Protagonisten oft ziemlich naiv vor, was angesichts ihres Status und ihrer Ausbildung seltsam ist. Dennoch gelingt es Brian Staveley, eine spannende Geschichte zu erzählen, in die man als Leser gern eintaucht. Dem amerikanischen Fantasy-Autor ist sein Debüt gelungen.

„Der verlorene Thron“ ist nur der Auftakt zu den „Chroniken des Unbehauenen Throns“. Die Fortsetzung erscheint am 9. November bei Heyne und trägt den Titel „Thron in Flammen“. Der dritte Band der Trilogie ist im Original bereits für März 2016 angekündigt, dürfte also frühestens in der zweiten Jahreshälfte auch auf Deutsch herauskommen.

„Der verlorene Thron“ von Brian Staveley ist bei Heyne erschienen. Die Klappenbroschur-Ausgabe geht über 752 Seiten und kostet 14,99 Euro, das E-Book 11,99 Euro. Die Übersetzung stammt von Michael Siefener.

Zwölf Wasser – Nach den Fluten von E.L. Greiff – eine Rezension

E.L. Greiff: Zwölf Wasser - Nach den Fluten

E.L. Greiff: Zwölf Wasser – Nach den Fluten

„Zwölf Wasser – Nach den Fluten“ startet düster: Angst regiert auf den Straßen von Agen. Die einst stolze Stadt der Wissenschaft und des Fortschritts ist unter die Herrschaft des Dämons und seinem Gefolge gefallen. Auch in Kwothe ist der Terror auf dem Vormarsch, denn die Dhurmmets haben für den Krieg mit ihren Söhnen eine große Streitmacht ausgehoben und verwüsten das Land. Doch die Quelle der Hoffnung ist noch nicht versiegt. Und an die Hoffnung klammern sich die Welsen, die mit den weisen Undae aufgebrochen waren, die Welt vor dem Dämon zu schützen. Es ist weniger die Hoffnung, sie selbst könnten überleben, die sie antreibt, als der Wunsch, ihr hungerndes Volk und mit ihm die gesamte Menschheit zu retten.

Nach den Fluten – am Ende der Geschichte

Wer mit dem Auftaktband begeistert, im Folgeband das Niveau hochhält, der weckt Erwartungen für den Abschlussband. E.L. Greiff hat mit ihrer Zwölf-Wasser-Trilogie die Leser auf eine spannende Reise mitgenommen und Erwartungen für das Ende der Geschichte erweckt – und sie wird ihnen gerecht. In „Zwölf Wasser – Nach den Fluten“ führt sie alle Handlungsstränge zum Abschluss, die sie mit „Zu den Anfängen“ und „In die Abgründe“ begonnen hat, und findet für alle Herausforderungen eine befriedigende Lösung.

Das gilt vor allem für das Ringen mit dem Dämon, dem im Kampf mit Waffen kaum beizukommen ist. Willen, Überzeugungskraft und Gefühle spielen hier eine größere Rolle, für die E.L. Greiff passende Bilder findet. Schlachtbeschreibungen zählen dagegen weniger zu den Stärken der Autorin, doch findet sie einen Weg, die Ereignisse zu schildern, der auch ohne taktische Erläuterungen und lange Kampfszenen auskommt.

Dass es nicht um einen großen Endkampf, sondern auch um einen Aufbruch in eine neue Zukunft geht, wird bereits zu Beginn der Zwölf-Wasser-Trilogie deutlich. Wer sich in den letzten Abschnitten von „Zwölf Wasser – Nach den Fluten“ an das Ende von „Der Herr der Ringe“ erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Im großen Klassiker wie im modernen Werk geht es um das Ende eines Zeitalters und den Beginn eines neuen. Dass auch in diesem Wasserquellen eine Rolle spielen werden, dürfte auf der Hand liegen.

Was folgt auf Zwölf Wasser?

Mit „Nach den Fluten“ geht die Zwölf-Wasser-Trilogie zu Ende – und damit eine der originellsten deutschsprachigen Fantasy-Werke der vergangenen Jahre. Bleibt zu hoffen, dass dies so viele Leser so sehen, dass der Erfolg E.L. Greiff zu neuen Stoffen ermuntert. Denn es wäre schade, wenn diese neue deutsche Fantasy-Stimme schon bald wieder verstummen würde.

„Zwölf Wasser – Nach den Fluten“ von E.L. Greiff ist bei dtv erschienen. Der dritte Band der Zwölf-Wasser-Trilogie geht über 512 Seiten und kostet in der broschierten Taschenbuchausgabe 16,90 Euro. Das E-Book ist für 14,99 Euro erhältlich.

Das Erbe des Kuriers von Peter V. Brett

Peter V. Brett: Das Erbe des Kuriers

Peter V. Brett: Das Erbe des Kuriers

Einmal noch auf Reisen gehen, einmal noch ein Gefühl von Freiheit genießen. In Peter V. Bretts „Das Erbe des Kuriers“ träumt der ehemalige Kurier Ragen diesen Traum seit er seine letzte Tour hinter sich gebracht hat. Sie hatte ihn ins Dorf Moorweiler geführt. Als er vom dortigen Fürsorger einen Brief erhält, der die Familie Damaj betrifft, macht sich Ragen noch einmal auf und reist von Fort Miln nach Moorweiler.

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