Du hast den Farbschnitt vergessen

Farbschnitt: Bei Ausgaben des „Herrn der Ringe“ (rechts) gab es sie schon häufiger. Inzwischen werden auch andere Verzierungen für den Buchschnitt verwendet, wie zum Beispiel Vogelfedern. Foto: Jörn Käsebier

Erst tauchten sie nur vereinzelt auf, dann wurden sie zum Markenzeichen eines Sub-Genres, doch inzwischen zieren sie fast jedes zweite Fantasy-Buch: farbige und gestaltete Buchschnitte. Mit ihnen wollen die Verlage ihre Programme retten.

Der Blick auf die Herbstvorschauen 2024 zeigt viel Buntes. Da reiht sich bunter Farbschnitt an bunten Farbschnitt. Dieser Trend hatte sich in den zurückliegenden Verlagsprogrammen bereits abgezeichnet. Doch so sehr wie jetzt, waren die Farbschnitte noch nicht verbreitet. Und genau genommen, handelt es sich auch nicht um ein völlig neues Phänomen: Vereinzelt hatten Verlage schon Mal zu diesem Mittel gegriffen, um etwa die Erstauflage herausstechen zu lassen. „Die Chroniken von Azur“ von Bernhard Hennen bei Fischer Tor sind ein Beispiel.

Romantasy mit buntem Farbschnitt

Dann schälte sich heraus, dass vor allem Titel der Romantasy nicht mehr nur ein buntes Cover und einen gefühlig farbigen Inhalt, sondern auch einen auffälligen Farbschnitt bekamen. Aber es waren nicht nur diese. Im verzweifelten Versuch, die für die Branche so wichtigen Vorbestellungen vor Erscheinen eines Buches, anzukurbeln, setzten Verlage immer mehr auf optische Gründe.

Längst ist es nicht mehr nur die Farbe, die zählt. Beim „Rabengott“ von Ann Leckie setzte Klett-Cotta auf Rabenfedern, die den Buchschnitt zieren. In anderen Fällen färbt das Covermotiv noch stärker auf den Buchschnitt ab. Das sieht oft beeindruckend aus. Auf Tiktok und Bookstagram wird so um die harte Währung Aufmerksamkeit mit poppigen Farben gekämpft. Doch wie gelingt es künftig noch aufzufallen, wenn plötzlich ganz viele bunte Ausgaben auftauchen?

Luxusausgabe für Sammelnde

Und es sind nicht mehr nur Erstauflagen. Heyne bringt bereits erschienene Bücher noch mal als gebundene Ausgabe mit gestaltetem Buchschnitt heraus. Limitierte Ausgaben, die früher vereinzelten Bestsellerausgaben vorbehalten waren („Der Herr der Ringe“ als Einzelband mit rotem Farbschnitt war auch einmal besonders.). Da lässt sich der Preis von stolzen 26 Euro auch schon mal auf 30 Euro anheben.

Dadurch wird ein Buch immer mehr zum Luxus. Wenn weniger Menschen Bücher kaufen, müssen die, die noch Bücher kaufen, ja auch zeigen, was ihnen dieses Kulturgut wert ist. Aber werden sie das tun?

Du hast den Farbschnitt vergessen 

Noch schwimmen nicht alle Verlage voll auf der Welle mit. Bei zwei Publikumsverlagen möchte man mit Nina Hagen etwa sagen:

Du hast den Farbschnitt vergessen, mein Panini
Nun glaubt uns kein Mensch, wie schön eure Bücher sind, haha, haha
Du hast den Farbschnitt vergessen, mein Fischer Tor (zumindest fast)
Alles rosa und hellblau und neongrün und später nicht mehr wahr 

Dass sie und andere darauf verzichten oder es nur sparsam einsetzen, ist aber keine Garantie, dass sie das künftig auch so halten werden. Darüber wird wohl der Verkaufserfolg der schnittigen Ausgaben anderer Publikumsverlage entscheiden. Bleibt zu hoffen, dass die Farbschnitt-Revolution nicht ihre Kinder frisst und durch die mit ihr verbundenen Preise das Genre weiter in den Abgrund reißt.