Tad Williams: Die dunklen Gassen des Himmels – Bobby Dollar 1

Tad Williams: Die dunklen Gassen des Himmels

Tad Williams: Die dunklen Gassen des Himmels

Folgt man Tad Williams, müssen die Seelen der Menschen nicht bis zum Jüngsten Gericht warten, ehe ihrer Seele der Prozess gemacht wird. In seinem neuesten Roman „Die dunklen Gassen des Himmels“ (The Dirty Streets of Heaven) ist die Hauptfigur ein Engel-Anwalt. Bobby Dollar – Doloriel mit Himmelsnamen – versucht, die Seele von frisch Verstorbenen vor dem Fegefeuer und ewiger Verdammnis zu bewahren. Doch weder er, noch sein dämonischer Gegenspieler sind darauf vorbereitet, als eines Tages die Seele eines Toten einfach nicht zum Prozess erscheint. Und es bleibt nicht bei dieser einen Seele: Himmel und Hölle setzen Alles in Bewegung, um die Sache aufzuklären. Bobby Dollar verlässt sich jedoch nicht auf die offiziellen Ermittlungen. Er beginnt selbst zu recherchieren und bringt dadurch sich und seine Freunde in Gefahr. Denn wie der Titel bereits verrät: Es gibt auch im Himmel dunkle Gassen.

Bobby Dollar schnüffelt in den dunklen Gassen des Himmels herum

Tad Williams hat für seinen Fantasy-Roman Anleihen am Film noir genommen. Ganz wie Sam Spade in „Die Spur des Falken“ (Malteser Falke) legt sich Bobby Dollar mit Mächtigeren an, erliegt den Verführungskünsten einer verruchten Frau und jagt einem wichtigen Gegenstand nach. Und dass „Die dunklen Gassen des Himmels“ überwiegend in San Francisco und der umliegenden Bay Area spielt, ist auch kein Zufall. Williams muss es ein großer Spaß gewesen sein, im Buch seine Heimat zu beschreiben, wuchs er doch in Palo Alto auf und lebt noch heute in der Region.

Ganz wie in den Detektivromanen der amerikanischen Hard-Boiled-School muss auch Engel-Ermittler Bobby Dollar erkennen, dass sich die größten Sünden hinter einer reinen Fassade verbergen. Denn dass die Diener der Hölle seine Gegner sind, liegt auf der Hand, doch dass es im Himmel auch korrupt zugeht, hatte der Engel im menschlichen Körper lange nur vermutet. Ein klares Gut-Böse-Schema gibt es also nicht.

Tad Williams nicht nur zynisch, sondern auch amüsant

Die Bobby-Dollar-Reihe (zunächst als Trilogie angelehnt, doch mit der Lizenz zu weiteren Einzelbänden) ist längst kein so ambitioniertes Werk wie „Otherland“, „Das Geheimnis der großen Schwerter“ oder „Shadowmarch“. Dafür zeigt „Die dunklen Gassen des Himmels“, wie bissig, zynisch und amüsant Tad Williams schreiben kann. Der Fantasy-Roman mit Krimianleihen bietet großes Lesevergnügen, ist stellenweise sehr spannend und macht Appetit auf die Fortsetzung. Ein kleiner Wehrmutstropfen: An mancher Stelle bekommt man den Eindruck, dass Bobby Dollar bewusst dümmer gemacht wurde als er sonst erscheint, nur um eine – meist absehbare – Wendung zu ermöglichen.

„Die dunklen Gassen des Himmels“ von Tad Williams ist bei der Hobbitpresse von Klett-Cotta erschienen. Die gebundene Ausgabe erstreckt sich über 576 Seiten und kostet 22,95 Euro. Die Übersetzung stammt von Cornelia Holfelder-von der Tann und ist an manchen Stellen leider etwas wörtlich geraten (rauchende Pistolen, wir hatten unseren Moment).