Patrick Rothfuss im Interview über Auri, Königsmörder-Chronik 3 und eine Verfilmung

Leipziger Buchmesse 2015  Foto: Jörn Käsebier

Fantasy-Autor Patrick Rothfuss auf der Leipziger Buchmesse 2015          Foto: Jörn Käsebier

Zu den Stargästen der Leipziger Buchmesse 2015 zählte der Fantasy-Autor Patrick Rothfuss. Im Interview nimmt er zu seinem aktuellen Buch „Die Musik der Stille“ Stellung, spricht aber auch über die Pläne für Königsmörder-Chronik 3, die Chancen für eine Verfilmung seiner Werke – und über Seife.

Herr Rothfuss, Auri, die Protagonistin von „Die Musik der Stille“, ist eine ungewöhnliche Figur. Wie schwierig war es, die Geschichte aus ihrer Perspektive zu schreiben?

Patrick Rothfuss: Es war schwierig. Aus Kvothes Sicht zu schreiben fällt mir leicht, weil ich es bereits so lange mache. Aber Auri ist in ganz vielen Aspekten eine völlig andere Figur. Leser der ersten beiden Königsmörder-Chronik-Bücher wissen, dass Auri eine ganz eigene Sicht auf die Dinge hat. Ich habe eine Weile gebraucht, durchweg diese Perspektive einnehmen zu können.

Für Auri müssen alle Dinge an dem für sie richtigen Platz sein. Warum ist das für Auri so wichtig?

Das ist die zentrale Frage des Buches, die sich hoffentlich jeder Leser stellt. Ich habe keine kurze Antwort darauf – sonst hätte ich das Buch wohl auch nicht schreiben müssen. Ich habe bereits einige mögliche Antworten gelesen und finde es gut, dass Leser ihre eigenen Theorien aufstellen, möchte sie auch zum Denken anregen. In Interviews vermeide ich es, zu manchen Aspekten eine eindeutige Antwort zu geben, um das Denken nicht abzuwürgen. Das ist übrigens auch der Grund, warum auf den Zeichnungen in „Die Musik der Stille“ das Gesicht von Auri nicht zu sehen ist. Ich wollte den Menschen nicht ihre Vorstellung rauben und vorgeben: So sieht Auri aus.

Stichwort Zeichnungen. Wie lief die Zusammenarbeit mit Marc Simonetti und wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?

Ich bewundere Simonetti. Er war einer der wenigen modernen Künstler, die ich namentlich kannte, bevor ich selbst etwas veröffentlicht hatte. Er entwirft die wunderschönen Cover für die französischen Ausgaben meiner Bücher. Die Illustrationen in der englischen Ausgabe von „Die Musik der Stille“ stammen von meinem Freund Nate Taylor, doch der französische Verlag wollte Simonetti. Ich habe ihm dann meine Wünsche übermittelt, etwa dass Auris Gesicht nicht zu sehen sein soll und dass das Unterding viele Facetten benötigt. Als ich die ersten Entwürfe bekam, wollte ich daher noch ein paar Änderungen, und Simonetti hat sie anstandslos durchgeführt. Es war eine tolle Zusammenarbeit.

Seife spielt eine wichtige Rolle im Buch. Haben Sie selbst schon einmal Seife hergestellt?

Das habe ich. Dieses alte Verfahren lässt sich mit einfachen Werkzeugen umsetzen. Ich bin aber nicht gut darin. Es kann auch ziemlich gefährlich werden, weil man mit flüssigem heißen Fett und Säure hantiert. Bei einem Experiment vor wenigen Jahren hätte ich fast mich selbst, vor allem aber meinen kleinen Jungen verletzt. Man sollte also sehr vorsichtig sein, wenn man es in der eigenen Küche ausprobiert.

Also steckt doch mehr Action in der Geschichte über Seifenherstellung …

Ha! Da ist was dran. Zumindest für Menschen, die sich damit auskennen.

Werden wir Auri im dritten Band der Königsmörder-Chronik wiedertreffen?

Sie wird im dritten Buch eine Rolle spielen.

Und wird das dritte Buch auch den kompletten dritten Tag enthalten, mit dem die Chronik enden soll?

Buch 3 beendet die Geschichte. Es kann allerdings sein, dass ich noch weitere Geschichten in dieser Welt spielen lasse.

Autorenarbeit nach Lesungen: Patrick Rothfuss signiert. Foto: Jörn Käsebier

Autorenarbeit nach Lesungen: Patrick Rothfuss signiert.  Fotos: Jörn Käsebier

Und welches Buch werden wir als nächstes von Ihnen lesen?

Ich bin nicht begierig darauf, ein anderes Buch zu schreiben als Buch 3, denn ich weiß ja, dass meine Leser darauf warten. Ich hatte „Die Musik der Stille“ eigentlich als Beitrag für eine Anthologie vorgesehen, in die die Geschichte aber nicht hineinpasste, weshalb ich eine andere schreiben musste. Und vergangenes Jahr stand ich vor der Wahl gar kein Buch oder eben „The Slow Regard of Silent Things“ zu veröffentlichen. Und da es vielen Testlesern gefiel, habe ich mich für eine Veröffentlichung entschieden. Sollte ich eine großartige Idee haben, würde ich diese wahrscheinlich direkt umsetzen, weil die Idee sonst verloren geht. Ich weiß aus Erfahrung, dass ich später nicht mehr gut am Ausgangspunkt ansetzen kann. Ich habe bereits zwei Drittel eines Buches geschrieben, das eigentlich als längere Erzählung gedacht war. Aber ich weiß, dass selbst die vielen geduldigen Leser auf Buch 3 warten. Daran werde ich aber noch mindestens ein Jahr arbeiten müssen, wobei noch weitere Monate hinzukommen, bis es zur Veröffentlichung kommt.

Es gibt Gerüchte, dass aus der Königsmörder-Chronik eine Fernsehserie werden könnte. Ist da etwas dran?

Die Filmrechte sind schon eine ganze Weile verkauft. Derzeit prüft NBC, ob und wie eine Umsetzung möglich wäre. Das Interesse schmeichelt mir. Aber wenn man sich anschaut, von wie vielen Büchern die Filmrechte gekauft und wie viele umgesetzt werden, sieht man, dass die Chancen gering sind.

Fürchten Sie, dass ein Film oder eine Serie die Fantasie der Leser zerstören würde, weil ihnen plötzlich ein Kvothe oder eine Auri vorgegeben werden?

Die Gefahr besteht. Doch andererseits ist eine Verfilmung nur eine Version der Geschichte, und sie könnte Menschen erreichen, die von den Büchern sonst nie etwas gehört hätten. Würde ich gern eine gelungene Verfilmung sehen? Sicher würde ich das. Aber ich hätte keinen Einfluss darauf, ob es gelingt. Das haben Autoren selten.

Hilft denn der Erfolg von „Game of Thrones“?

Vielleicht ein bisschen. Aber man darf nicht vergessen, dass George Martin viele Jahre in Hollywood gearbeitet hat und von daher eine Ausnahme darstellt. Bei mir würden sich die Produzenten wahrscheinlich nicht darum scheren, was meine Wünsche und meine Meinung wäre.

Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Sohn eines Tages ankommt und sagt, er wolle Schriftsteller werden?

Wenn er es wirklich will, würde ich sagen, nur zu! Was man beim Schreiben nicht vergessen darf, es kann auch ein Hobby sein. Meiner Meinung nach ist das viel zu wenig anerkannt. Wer schreibt, sieht es als Scheitern an, wenn er kein Manuskript verkauft. Dabei würde man von jemandem, der gerne gärtnert doch auch nicht erwarten, dass er eine Gärtnerei aufmacht. Beim Schreiben geht es um den Wunsch, Geschichten zu erzählen, doch muss man das nicht beruflich machen. Das würde ich meinem Jungen sagen.

Auf Deutschlandreise: Patrick Rothfuss

Auf Deutschlandreise: Patrick Rothfuss

Zum Alltag von Autoren zählt es heute, über das Internet mit Lesern und Kollegen zu kommunizieren. Sie selbst machen das auf Twitter, Facebook, Ihrem Blog. Ist das Internet für sie eher hilfreich oder ein Zeitfresser?

Wenn es darum geht, mit meinem Lesern in Kontakt zu kommen, ist es natürlich hilfreich. Dass so viele Menschen zu meinen Lesungen hier auf der Leipziger Buchmesse kommen, liegt auch daran, dass ich online auf die Termine hingewiesen habe. Außerdem ermöglicht mir das Netz, meine Bekanntheit dazu zu nutzen, auf für mich wichtige Dinge hinzuweisen, etwa darauf, wie es ist, Vater zu sein. Oder ich gehe auf Probleme in der Welt ein.

Setzen Sie sich eine Grenze dafür, wie viel Zeit Sie online verbringen?

Nein, dafür unterscheiden sich die Tage zu sehr. Manchmal ist es zum Beispiel besonders wichtig, dass ich die Anfragen meiner Übersetzer beantworte. Das können auch schon einmal 50 Fragen sein, die ich da beantworten muss.

Sie sprechen zwar kaum Deutsch, doch Ihr Name klingt deutsch. Haben Sie eine besondere Beziehung zu Deutschland?

Meine Familie wird vor mehreren Generationen in die USA eingewandert sein. Mein Großvater lebte bereits in Wisconsin, wo ich lebe, seine Familie stammt aus New York. Und wenn man ihre Wurzeln zurückverfolgt, kommt man wohl nach Deutschland. Ich weiß, dass der Name Rothfuss im Schwarzwald ziemlich verbreitet ist. Aber ich weiß nicht, ob meine Familie dort herkommt.

Patrick Rothfuss: Die Musik der Stille – eine Rezension

Patrick Rothfuss: Die Musik der Stille

Patrick Rothfuss: Die Musik der Stille

Im Nachwort von „Die Musik der Stille“ schreibt Patrick Rothfuss, er habe Sorge gehabt, dass niemand die Geschichte lesen wolle. Schließlich beschreibe er auf acht Seiten, wie Seife gemacht werde. Ob dahinter nun Koketterie oder wahre Unsicherheit eines Schriftstellers steckt – „Die Musik der Stille“ (Originaltitel: The Slow Regard of Silent Things) ist weit mehr als die Beschreibung vom Seifenmachen. Man hätte das Fantasy-Buch auch ganz nüchtern „Eine Woche im Leben der Auri“ nennen können, denn die Geschichte erstreckt sich über sieben Tage. Doch so ein Titel hätte nicht gepasst, denn so ungewöhnlich wie die Gedankenwelt Auris ist, ist auch eine Woche in ihrem Leben.

Das Lebendige in Dingen

Leser der Königsmörder-Chronik kennen Auri als scheues Wesen, das Kvothe als einen von ganz wenigen Menschen überhaupt an sich heranlässt. Sie lebt in einer Welt unter der Universität von Imre, die sie Temerant nennt. Dort muss alles seine Ordnung haben, denn Auri braucht die Sicherheit, dass alle Gegenstände an dem für sie richtigen Platz sind. Alle Veränderungen können die junge Frau treffen – je nach Stimmung wird sie euphorisch oder depressiv.

Als Leser ist es nicht immer leicht, den Gedankengängen von Auri zu folgen, zu der auch andere Bezeichnungen von Gegenständen gehören als wir sie verwenden. Doch in „Die Musik der Stille“ geht es nicht darum, alles zu verstehen, sondern darum, Auri besser zu verstehen. Dazu tragen auch die Hinweise auf ihre Vergangenheit bei, die erklären, warum sie sich so zurückgezogen hat und das Lebendige in Dingen sucht. Wer sich auf Auri und ihre Geschichte einlässt, wird mit einer Erzählung von ganz eigener Schönheit belohnt. Und erfährt so nebenbei mehr aus der Welt, in der die Königsmörder-Chronik spielt.

Zeichnungen der Musik der Stille

Für ein Fantasy-Buch ist es ein schmales Bändchen geworden. Es muss jeder selbst wissen, ob ihm dieses Werk von Patrick Rothfuss 18 Euro wert ist. Die gebundene Ausgabe ist sehr schön gestaltet, was auch an den Zeichnungen von Marc Simonetti liegt. In Schwarz-Weiß geben sie das Bedrohliche und die Schönheit der Unterwelt Temerant wieder, in der Auri lebt.

„Die Musik der Stille“ von Patrick Rothfuss ist in der Hobbitpresse von Klett-Cotta erschienen. Die gebundene Ausgabe mit 173 Seiten kostet 17,95 Euro, das E-Book 13,99 Euro. Die Übersetzung stammt von Jochen Schwarzer.