Als ein Regiment des Scharlachroten Imperiums in das Dorf von Zosia kommt, weiß die ehemalige Anführerin der Kobaltblauen Kompanie, dass es mit ihrem beschaulichen Landleben vorbei ist. Doch sie ahnt nicht, wie blutig es werden wird. Und wer hinter dem Massaker steckt, das die Soldaten anrichten, meint sie nur zu wissen. Das hindert sie aber nicht daran, einen Rachefeldzug zu beginnen und sich dafür unter ihren ehemaligen Offizieren nach Verbündeten umzusehen.
Doch so glatt, wie die Rachegeschichte sich zunächst abzeichnet, ist sie glücklicherweise nicht. Alex Marshall hat sich für „Blut aus Silber“ großzügig aus dem reichen Schatz der Motive der modernen Helden-Fantasy bedient. Das Buch strotzt vor intertextuellen Verweisen und Anspielungen auf bekannte Werke, etwa wenn es darum geht wie Rache serviert werden soll – hier erkennen Leser von Joe Abercrombie gleich die Anspielung auf „Best Served Cold“ (Racheklingen). Da es sich nicht um High-Fantasy handelt, stehen Aufbau und Beschreibung der Fantasy-Welt nicht im Vordergrund. Deutlich wird aber, dass diese aus einem fünfzackigen Stern besteht, es Tore gibt, durch die Menschen und Teufel reisen können und dass es eine Verbindung zur Welt der Teufel gibt.
Schwache Figuren bei Alex Marshall
Die Handlung wird aus der Perspektive von mehreren Figuren geschildert. Neben Zosia sind das ihr ehemaliger Schurke Maroto, sein Neffe Griesgram, die Kriegernonne Portolés, die junge Ji-hyeon und Oberst Hjortt (Sohn und Vater). Bei aller Vielfalt der Figuren – die größte Schwäche des Buches ist wohl, dass es schwerfällt, eine Verbindung zu den handelnden Personen zu knüpfen. Sie sind nur selten sympathisch, sodass man ihnen als Leser ihre menschlichen Schwächen nicht verzeiht. Wenn eine Figur für sich einnimmt, ist es wohl Maroto, da er mit seinem Trupp Adeliger auch für den Großteil der komischen Szenen verantwortlich ist. Seine fehlenden Fähigkeiten zu reflektieren und Dinge zu durchdenken, nehmen seiner Figur jedoch die Tiefe. Und die Figur der Zosia steht für das Problem, dass starke Frauenfiguren nicht dadurch entstehen, dass man weibliche Abziehbilder männlicher Helden oder Anti-Helden kreiert.
An der Diskussion, welcher Autor sich hinter dem Pseudonym Alex Marshall verbirgt, können deutsche Leser, die nicht im Original lesen, kaum mitreden. Zumindest fällt es schwerer, den Stil zu vergleichen, wenn man sich an Übersetzungen orientiert und es wahrscheinlich ist, dass andere Werke des Autors von einem anderen Übersetzer ins Deutsche übertragen wurden. Wer dennoch mitraten möchte, kann sich an verschiedenen Stellen über den Stand der Diskussion informieren.
Aus Blut aus Silber wird eine Trilogie
Die mit „Blut aus Silber“ begonnene Geschichte ist von Alex Marshall als Trilogie angelegt. Der Titel von Band 2 lautet im Original „A Blade of Black Steel“ und wird voraussichtlich im Mai 2016 erscheinen. Darin dürfte sich die Handlung erweitern und von der ursprünglichen Rachegeschichte weggehen. Dass Marshall die Fähigkeiten mitbringt, eine etwas komplexere Geschichte zu erzählen, darf jedoch bezweifelt werden – zu simpel fallen die Lösungen im insgesamt ordentlichen ersten Band aus.
„Blut aus Silber“ von Alex Marshall ist bei Piper erschienen. Die broschierte Taschenbuchausgabe geht über 864 Seiten und kostet 19,99 Euro, das E-Book 15,99 Euro. Die Übersetzung stammt von Andreas Decker.