
Eine Schlacht gewonnen und doch das Königreich verloren. Orsos Zeit als Herrscher der Union ist nicht von Glück geprägt. Die Niederbrenner reißen in „Silberklingen“ die Macht an sich und gehen weder mit dem Eigentum noch mit dem Leben ihrer Gegner sanft um. Da es sich um ein Buch von Joe Abercrombie handelt ist klar, dass die Veränderungen nicht unbedingt zum Guten führen – allen Rufen nach Freiheit und Gleichheit zum Trotz.
Im letzten Roman der Trilogie „Age of Madness“ wird die Union von ihrer Version der Französischen Revolution erschüttert. Ganz wie beim historischen Vorbild radikalisieren sich die Kräfte hinter dem Umsturz. Schließlich zeichnet sich die Revolution mehr durch Säuberungen als durch Veränderungen aus. Abercrombie schildert aber nicht nur, wie sich die Ereignisse auf die Hauptfiguren auswirken, sondern zeigt auch anhand von Nebenfiguren, wie die Bedürfnisse und Machtverhältnisse im Fluss sind.
Joe Abercrombie lässt Figuren leiden
Bei Vick verändert sich vor allem der Titel. Als Inquisitorin und Kommissarin ist sie Teil des jeweiligen Regimes. Insgeheim sehnt sie sich nach Sicherheit und Fortschritt. Ausgerechnet sie entwickelt sich zur am wenigsten zynischen Person. Breit entkommt weiter seiner gewalttätigen Seite nicht. Ohne seine Frau fehlt ihm zudem ein stabiler Anker.
Die größten Veränderungen machen Savine Brock (ehemals dan Glokta) und ihr Mann Leo durch. Sie entdeckt ihre Rolle als Mutter. Ihr geht es nicht mehr nur um ihr eigenes Überleben, sondern auch um das ihrer Kinder. Die politischen Winkelzüge ist man von Savine gewohnt. Neu ist, dass auch Leo zum Politiker wird. Aus seiner militärischen Niederlage hat er gelernt, wie man überlebt. In Zeiten einer Revolution eine wichtige Eigenschaft. Zudem hat der junge Löwe seinen Ehrgeiz nicht verloren.
Silberklingen: Thron zu verteidigen
Orso hingegen bleibt als König ohne Thron eine überwiegend passive Rolle. Seinen Humor verliert er aber auch unter demütigenden Umständen nicht und wirkt so majestätischer als er als Kronprinz je war.
Nicht vergessen wollen wir den Norden. Hier ist die Herrschaft von Rikke nicht durch eine Revolution bedroht, sondern vielmehr durch einen Rachefeldzug der klassischen Art. Rikke muss beweisen, wie gut ihre Fähigkeiten als Herrscherin sind, damit notorische Verräter wie Jonas Klee nicht von der Fahne gehen.
Schlachten und Klingen
Für die Schwertkämpfe und Schlachten ist also vor allem der Handlungsstrang im Norden verantwortlich. In der Union spielt das Heer zwar eine Rolle, doch die Gemetzel finden lange Zeit mehr bei Hinrichtungen statt.
Die große Frage, die über allem schwebt, ist aber, ob mit dem Ancien Regime auch die Macht von Bayaz erschüttert ist oder ob der einst mächtige Magier noch zum Gegenschlag ausholt.
Klingen-Saga 10 ist das große Finale
Joe Abercrombie gibt in „Silberklingen“ darauf und auf viele andere Fragen eine Antwort. In den teilweise überraschenden Wendungen, die die Antworten enthüllen, zeigt sich auch, dass der in den beiden Vorgängern etwas vernachlässigte große Handlungsbogen unterschwellig da war. Mehr sei hier nicht verraten.
Mit diesem grandiosen Finale, das alles enthält, was man an Komik und Dramatik erwarten und erhoffen kann, endet die zweite Trilogie der Klingen-Saga. Sie begann stark mit „Zauberklingen“, ließ in „Friedensklingen“ etwas nach, ehe sie mit „Silberklingen“ den Höhepunkt erreichte. Als Extra könnten noch vier Geschichten in einer Anthologie folgen. Weiteres aus der Klingen-Welt ist erst einmal nicht geplant. Zumindest vorerst wird sich Abercrombie einem völlig neuen Projekt widmen. Wann der nächste Roman, Arbeitstitel „The Devils“, erscheinen wird, ist noch offen.
„Silberklingen“ von Joe Abercrombie ist bei Heyne erschienen. Die Klappenbroschur-Ausgabe geht über 864 Seiten und kostet 17 Euro. Die Übersetzung des zehnten Romans der Klingen-Saga stammt von Kirsten Borchardt.
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