
Frieden zu wahren ist schwerer als ihn zu brechen. Und wer auf einem Pulverfass sitzt, sollte sich nicht wundern, wenn es hochgeht. So oder so ähnlich ist die Moral von der Geschicht in „Friedensklingen“ von Joe Abercrombie. Das Buch ist auch ein Abgesang auf die Helden der ersten Klingen-Trilogie.
Orso tritt seine Regentschaft an und erkennt, was für ein Erbe er angetreten hat: im Volk haben Monarch und Adel viele Feinde, vor allem aber der Offene Rat stellt sich gegen die Herrscher der Union. Auch der Norden wird in diesen Konflikt hineingezogen – was nicht überrascht, angesichts der Ruhmessucht der dortigen Herrscher. Und so währt der Frieden in der Union nicht lang.
Figuren in Friedensklingen entwickeln sich
Die Hauptfiguren des Buches von Joe Abercrombie haben sich im Vergleich zum Vorgängerband „Zauberklingen“ nicht geändert. Verändert haben sie sich hingegen schon. Orso wächst schneller in seine neue Herrscherrolle hinein als ihm selbst seine Freunde zugetraut haben. Vor allem aber unterschätzen seine zahlreichen Gegner den Monarchen.
Vick und Breit sind ebenfalls erneut mit von der Partie. Vick hat zwar weniger Passagen als noch im ersten Buch, spielt jedoch als Spionin eine wichtige Rolle. Glaubwürdig bleibt sie durch ihre innere Zerrissenheit – einerseits steht sie den Zielen der Arbeiter näher, andererseits ist sie Erzlektor Glokta und der Union treu. Breit schwankt ähnlich zwischen seiner Herkunft und dem Wunsch seine Familie zu beschützen, die dank Savine dan Glokta der Armut entronnen ist. Ähnlich wie der legendäre Logan Neunfinger entkommt der Ex-Soldat Breit seiner gewalttätigen Seite dabei nicht.
Savine und Rikke
Savine dan Glokta ist derweil durch die Ereignisse im vorherigen Buch traumatisiert. Durch ihre Schwangerschaft ist sie gezwungen, rasch Entscheidungen für ihre Zukunft zu treffen. Ihre Motive für die weiteren Taten überzeugen hingegen nicht. Hier wirkt die Handlung ein wenig konstruiert.
War Rikke im ersten Band der Trilogie noch eine Figur, die den Lesern viele Einblicke in ihre Gedanken und Gefühle gewährte, so wirkt sie im Vergleich fast schon verschlossen. Das ist mit dem Trauma erklärbar, welches sie aus der Behandlung ihrer seherischen Fähigkeiten erleidet. Es hat aber auch mit einer Pointe am Ende von „Friedensklingen“ zu tun, der die Figurenentwicklung ein wenig geopfert wird.
Joe Abercrombie: Gelungene Schlacht
Um den Figuren insgesamt aber Raum für Entwicklung zu geben, braucht es eine Weile. Die Geschichte überzeugt nur teilweise. Am Anfang enthält das Buch ein paar Längen, wie man sie von Joe Abercrombie nicht unbedingt gewohnt ist. Erst im zweiten und dritten Teil kommt Schwung in die Handlung – und das gilt nicht nur für die Schlacht. Bei dieser zeigt der britische Autor dann aber mal wieder, wie gut er darin ist, sich in die Lage von Menschen im Krieg zu versetzen.
Diese Entscheidungsschlacht und die anschließenden Wendungen retten das Buch, bei dem sich der Verdacht aus Band 1 der Trilogie bestätigt: Es fehlt ein wenig am großen Handlungsbogen.
Klingen-Saga vor dem Finale
Mit „Friedensklingen“ ist die Geschichte jedoch noch nicht zu Ende. Der dritte Band dieser zweiten Trilogie innerhalb der Klingen-Saga soll im Original noch dieses Jahr erscheinen. „The Wisdom of Crowds“, was sich an das Ende von Band 2 anlehnt. Die deutsche Ausgabe dürfte im Frühjahr 2022 folgen (als „Weisheitsklingen“?).
Doch dann wird mit der Klingen-Saga zumindest vorerst Schluss sein. Auf seinem Blog verkündete Abercrombie, dass er sich einem völlig neuen Projekt widmen möchte. In einer ganz anderen Welt soll die Geschichte spielen – Arbeitstitel „The Devils“. Das klingt danach, als ob es teuflisch zugehen wird und einige Figuren zu Schlamm werden könnten.
„Friedensklingen“ von Joe Abercrombie ist bei Heyne erschienen. Die Klappenbroschur-Ausgabe geht über 848 Seiten und kostet 16,99 Euro. Die Übersetzung stammt von Kirsten Borchardt. Sie ist bereits seit 2007 Übersetzerin von Abercrombies Werken.
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