Kaum ein Genre ist so oft totgesagt worden wie der Western. Doch immer wieder gibt es Filme und Bücher, die das Sprichwort „Totgesagte leben länger“ bestätigen – zuletzt sorgte Quentin Tarantino mit „Django Unchained“ für eine Belebung des Westerns, und mit „The Lone Ranger“ kommt eine Bruckheimer-Produktion ins Kino, die nicht zuletzt dank Jonny Depp dem Western weitere Popularität bringen sollte. Depps Rolle als Tonto bringt auch das Mystische in die Erzählung vom Westen, eine Tendenz, die es auch bei Fantasy-Autoren gibt. Exemplarisch sei auf Brandon Sanderson und „Jäger der Macht“ verwiesen. Deutlich traditioneller ist hingegen „Blutklingen“ geworden, der Fantasy-Western von Joe Abercrombie.
Joe Abercrombie und die Western-Mythen
Abercrombie scheint sich zum Ziel gesetzt zu haben, die amerikanische Geschichte als Vorlage für seine Bücher zu nehmen. In „Heldenklingen“ bereitete er die Schlacht von Gettysburg auf, um sich nun in „Blutklingen“ den Geschichten von der Eroberung des Westens zu widmen. Sein Westen heißt Fernland und wird von Siedlern bewohnt, die noch weit von der Entwicklung eines sechsschüssigen Colts entfernt sind – ihre Gier, ihre Skruppellosigkeit und ihr Überlebenswille lassen sich jedoch mit den Attributen vergleichen, die die echten Pioniere auszeichneten. In „Blutklingen“ greift Joe Abercrombie viele bekannte Western-Motive auf: Angefangen von den Trecks, mit denen ganze Familien die Prärie durchquerten, über die Indianer, die bei Abercrombie Geister genannt werden, und Goldsuchern, die Städte gründen, die genauso rasch wieder zu Geisterstädten werden können, bis hin zum obligatorischen Duell am Schluss. Trapper, Huren, Glücksspieler und Viehtreiber gehören zum Personal des Buches. Doch natürlich spielen auch alte Bekannte aus den bisherigen Klingen-Romanen eine wichtige Rolle, etwa Nicomo Cosca, Espe und ein anderer wohlbekannter Nordmann. Neu ist jedoch die Protagonistin, Scheu. Ihre Schwester und ihr Bruder werden von einer Bande Gesetzesloser verschleppt, und Scheu und ihr Stiefvater Lamm machen sich an die Verfolgung. Ihr Pech ist es, dass Naheland und Fernland auch politische Zankäpfel zwischen Union und Kaiserreich sind. Deren Einflusssphären treffen hier nämlich aufeinander, was auch ein Blick auf die Karte verrät, die es in „Blutklingen“ gibt.
Blutklingen im Red Country
Die ersten zwei Drittel des Buches sind Joe Abercrombie hervorragend gelungen. Sein Spiel mit den Western-Motiven ist gekonnt und vor allem für Kenner von Filmen wie „Pale Rider“, „Der Texaner“ oder „Erbarmungslos“ ein Vergnügen. So verwundert es auch nicht, dass „Blutklingen“ (bzw. Red Country) Clint Eastwood gewidmet ist. Unterhaltsam ist die Lektüre aber vor allem dank Abercrombies schwarzem Humor. Als Beispiel sei nur auf die Szene an der Kaiserbrücke verwiesen und die Verhandlungen über den Preis für das Überqueren.
Im letzten Drittel verliert die Geschichte zunehmend an Fahrt. Die Episode mit dem Drachenvolk erinnert an die Eroberungszüge der Spanier, hat mit Western aber nur wenig zu tun. Und die Handlung in Knick? Wie viel Stoff der Weg vom Bergbauort zur Stadt liefern kann, hat die Serie „Deadwood“ gezeigt. Abercrombie vermag seiner Geschichte hier aber nicht mehr die entsprechende Tiefe zu verleihen. Es bleibt zu hoffen, dass ihm bei der angekündigten Trilogie nicht die Luft ausgeht.
„Blutklingen“ von Joe Abercrombie ist bei Heyne erschienen. Die broschierte Taschenbuchausgabe geht über 752 Seiten und kostet 15,99 Euro. Die deutsche Übersetzung stammt von Kirsten Borchardt.